Verzeiht, das ich momentan nicht die Muße und die Zeit habe, einen Beitrag zu meinen
diesjährigen Berggorilla-Besuch zu verfassen. Aber meine letztjährigen Erlebnisse werden
euch auch einen guten Einblick verschaffen. Ich hoffe, es gefällt euch trotzdem.
Sanfte RiesenOrt : Die steilen Hänge des mehr als 4500 m hohen Vulkans “Karisimbi“ in
Ruanda, mitten im Herzen Afrikas. Die Heimat der Berggorillas.
Geisterhaft wabern feuchte Nebelschwaden über den morastigen Untergrund.
Nur selten dringt ein Lichtstrahl durch das Dach des urweltlichen Regenwaldes.
Regelmäßig gleite ich auf dem rutschigen Boden die zuvor mühsam erklommenen Meter
wieder abwärts, nur gehalten von einem dichten Dickicht aus Bambus.
Doch trotz aller Mühsal fiebere ich der erneuten Begegnung mit den Beherrschern dieser
fast unberührten Urwelt entgegen. Dann, am Rande einer sonnendurchfluteten Lichtung,
gibt mir mein Begleiter, ein erfahrener Wildhüter, endlich das Zeichen stehenzubleiben.
Irgendwie kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, beobachtet zu werden und ein
eigenartiges Kribbeln breitet sich in meiner Magengegend aus.
Plötzlich !
Brechendes Unterholz !
Mein Körper reagiert mit einem immensen Adrenalinausstoss, während mein Herz eine Art
Schlagzeugsolo in meinem Innern zum Besten gibt.
Unversehens richtet sich direkt vor mir ein mächtiges, zornig drohendes Muskelpaket auf.
Ein Silberrücken gibt sich die Ehre. Aufgerichtet mehr als zwei Meter groß und mit einem
geschätztes Kampfgewicht von über 200 kg ausgestattet.
Seine gigantischen Arme erzeugen einen dumpf dröhnenden Trommelwirbel auf seiner
monströsen Brust. Die durch die harten Schläge auf den gewaltigen Körper ausgelösten
Vibrationen laufen Amok in meinen Knochen.
Bedingungslose Kapitulation !
Wie, zum Teufel, hat dieses Wesen es damals geschafft, scheinbar völlig unbeschadet vom
Empire-State-Building zu kommen ?
Erleichtert registriere ich, dass sich der Silberrücken wohl mit dieser Machtdemonstration
begnügt. Ein letzter, scheinbar verächtlicher Blick auf uns schwächliche Kreaturen, denen
er mit einem Schlag seiner überdimensionalen Arme das Genick brechen könnte, dann
wendet sich unser Gastgeber ab und lässt sich inmitten seines Harems nieder.
Majestät scheinen unsere Anwesenheit huldvoll zu dulden.
Was hätten wir getan, wenn nicht ?
Langsam und vorsichtig begeben wir uns nun in das Zentrum der Familie, die aus insgesamt
39 Individuen besteht, darunter 4 Silberrücken und einige Jungtiere.
So let the show begin!
Behutsam, fast zärtlich, streicht eines der Weibchen über die Schulter des Familienoberhauptes
und bemüht sich erkennbar um dessen Gunst.
Der Alte, mürrisch und von unserer Friedfertigkeit wohl nicht vollends überzeugt, wischt die
dargebotene Hand unwirsch zur Seite. Sichtlich bekümmert wendet sich die Verschmähte
gesenkten Kopfes von ihm ab. Ihre Mimik zeigt offenkundige Trauer an, was wohl nicht nur auf
mich herzergreifend wirkt. Ein nahezu liebevoller Ausdruck überzieht das Antlitz des Paschas
und vertreibt die dunklen Wolken.
Langsam, ganz vorsichtig, rückt er Stück für Stück auf das Weibchen zu, berührt sanft ihre
Hand und sieht sie fragend an.
Den Blick habe ich schon mal gesehen : „Schau mir in die Augen, Kleines“.
Mit einer rührenden, fast menschlichen Geste umarmt der Silberrücken zärtlich seine Gefährtin
und lässt einen tiefen Seufzer vernehmen. Im Geiste höre ich Geigen schluchzen, die Kamera
blendet langsam ab und verstohlen wischen Zuschauer eine Träne aus den Augenwinkeln.
„Spiel's noch einmal, Sam“. Absolut filmreif und ergreifend schön.
Nur kurz riskiere ich einen intensiven Blick in die tiefgründigen, klaren Augen des nun völlig
entspannten Familienoberhauptes. Da war etwas !
So ein eigenartiges, wissendes Funkeln und Glitzern.
Was mochte hinter seiner nachdenklich gefurchten Stirn vorgehen ?
Am Rande der Gruppe ringen zwei Jugendliche miteinander und man kann die immense Kraft
ahnen, die hinter dem spielerischen Charakter dieser prachtvollen Kolosse steht.
Ein gekonnter Schulterwurf beendet den nicht ernst gemeinten Disput.
Dann traue ich meinen Augen nicht. Das siegreiche Männchen beginnt doch tatsächlich an, den
unterlegenen Sparingspartner nach allen Regeln der Kunst zu kitzeln. Und der so Gemarterte
prustet vor Lachen, aus vollem Halse und mit auf dem Boden trommelnden Händen.
Vergnügt werfen uns die Beiden dabei verstohlene Seitenblicke zu, als wollten sie sich
vergewissern, dass wir auch ja hinsehen.
Scheinbar desinteressiert am Treiben seiner Gruppe, betrachtet der gelangweilt wirkende
Clanchef in der Zwischenzeit ausgiebig seine überdimensionalen Hände.
Eitel wird hier ein Pflanzenrest weggewischt und dort ein wenig Schmutz entfernt.
Seine Mimik gaukelt mir vor, jeden Moment wird eine Nagelfeile gezückt.
Ende der Maniküre! Kurzer Positionswechsel !
Den Kopf auf eine Faust abstützen (klassische Denkerstellung) und mit dem Zeigefinger der
anderen Hand genüsslich in der Nase bohren. Fehlt nur noch, dass er die Ausbeute in den
Fingern rollt, um sie dann geistesabwesend wegzuschnippen.
Währenddessen zerkleinert eines der Weibchen geschickt einige Wurzeln, häuft die Stücke
zusammen, nimmt ein großes Blatt, legt das vorbereitete Häufchen darauf und rollt das Ganze
dann sorgfältig zusammen. Frühlingsrolle !
Geziert, mit abgespreiztem kleinen Finger beißt sie ein Stück von der Rolle ab und kaut
genießerisch schmatzend.
Plötzlich bemerkt sie wohl, dass ich sie beobachte. Sie unterbricht ihr Mahl, nähert sich mir
und studiert mich mit Interesse. Ihre sanften braunen Augen schauen tief in die meinen, so als
suche sie nach einer Verbindung, einen Weg mit mir zu kommunizieren.
Ein fast mystisches Gefühl des (gegenseitigen?) Erkennens.
Eines der Jungtiere (knapp 30 cm groß) baut sich wichtigtuerisch vor uns auf und versucht die
anfängliche Einschüchterung seines großen Daddys fortzusetzen. Grimmig schaut uns der
Kleine an und trommelt ein Stakkato auf seiner (noch) schmächtigen Brust.
Die Koordination der Bewegungsabläufe funktioniert aber wohl noch nicht zufriedenstellend.
Er verliert sein mühsam gehaltenes Gleichgewicht und kippt zeitlupenlangsam zur Seite.
Mit vor Lachen tränenden Augen verfolgte ich, wie little Kong vor die Füße seines Erzeugers
rollt. Sacht nimmt dieser den Wollknäuel in seine riesigen Pranken und beginnt ihn zärtlich mit
einem Finger zu liebkosen. Wie kann ein solches Kraftpaket nur so unendlich sanft sein.
Oh....Achtung !
Ein anderer kleiner Kobold nähert sich uns mit leuchtenden Augen und begutachtet interessiert
meine schlammverkrusteten Schuhe. Knoten in den Schnürsenkeln ? Kein Problem !
Mit ernsthaften Mienenspiel öffnet er einen der Knoten, zieht den Senkel heraus und wickelt sich
diesen sorgfältig um den Hals. Was nun ?
Nur keine falsche Bewegung, Daddy betrachtet mich argwöhnisch.
Doch Hilfe ist unterwegs. Mama nähert sich eilfertig, entfernt gekonnt den Senkel und zieht dann
mit verlegenen Gesichtsausdruck den kleinen Racker von uns weg. Beleidigt schiebt dieser seine
Unterlippe nach vorn und der so typische Kinderschmollmund entsteht. Einfach köstlich.
Ein abschüssiger Hang mit nur relativ geringem Pflanzenwuchs fordert den einfallsreichen
Nachwuchs. An den Rand stellen, Hände über den Kopf verschränken, langsam vorbeugen und
als lebende Fellkugel, purzelbaumschlagend abwärts rollen.
Juchzend vor Freude kurz liegenbleiben, dann schnell wieder aufwärts und das Gleiche nochmal.
Herrlich ! Aber man könnte doch auch.....gedacht,getan......rauf auf ein kleines Bäumchen, kurz
innehalten.....schaut Daddy ? Nein ?.....dann ein mächtiger Satz in den Nacken des Alten.
Grummelnd zieht der Betroffene die Augenbrauen zusammen, hat aber wohl nicht die Absicht,
etwas gegen den Quälgeist zu unternehmen.
Plötzlich, lautes Geschrei !
Ein Halbwüchsiger bedrängt eines der jüngeren Weibchen.
Das Familienoberhaupt lässt sofort ein missbilligendes Grollen vernehmen.
Langsam erhebt er sich zur vollen Größe, schreitet würdevoll und bedächtig auf den Störenfried
zu und baut sich majestätisch vor ihm auf . Totenstille !
Gespannt verfolgen nicht nur wir, sondern auch sämtliche Gorillas die Konfrontation. Ein Kampf?
Sekundenlang fixieren sich die Kontrahenten....und dann.....ha....passiert nichts !
Der Rebell beugt sich dem dominanten Leittier und nimmt eine Art Demutsstellung ein.
Befriedigt registriert der Silberrücken die Geste und beendet dann mit einem leichten, aber
dennoch drohenden Klaps auf den Rücken des Aufsässigen den Disput.
Wären wir doch auch in der Lage, unsere Konflikte so einfach zu lösen.
Die Zeit vergeht wie im Fluge und das Ende meiner Begegnung mit den sanften Riesen naht.
Auch die Tiere werden zunehmend unruhiger, warten scheinbar auf ein bestimmtes Zeichen
ihres Anführers. Möglicherweise das Signal zur Nahrungssuche?
Und tatsächlich erheben sich alle wie auf ein Kommando. Langsam schleicht einer nach dem
anderen in das Bambusdickicht.
Der Silberrücken verlässt als letzter den Rastplatz, dreht sich nochmal bedeutungsvoll um und
mit einem Blick, der uns wohl warnen soll, ihnen zu folgen, verschwindet er ebenfalls.
Es sieht unheimlich aus, wie sein grauschwarzer Körper in das Unterholz bricht und armdicker
Bambus wie Streichhölzer splittert.
Noch lange starre ich gebannt in die Richtung ihres Verschwindens.
Lebt wohl !
Danke das ich bei euch sein durfte !
Und verzeiht unser freches Eindringen !
Dann vernehme ich wie durch Watte, die zum Aufbruch drängende Stimme meines
Begleiters.
Das Foto ist von meinem letztjährigen Besuch
Oh...äh...hallo Androiden, da seid ihr ja wieder. Schleicht euch bitte nicht immer so an....da
kriegt man ja fast 'nen Herzinfakt. Und ? Habt ihr das gerade auch so genossen wie ich ?
Ach, ihr wart wohl mal wieder zu spät, wie ? Selber Schuld ! Naja, könnt es ja nachlesen.
War jedenfalls mal wieder ein grandioses Erlebnis.
Das nächste Mal nehme ich dann mein Smartphone mit. Denn wer weiß, vielleicht kann man
auch 'n Silberrücken, mit 'nem Android beglücken....hehe.
Aber mal im Ernst.
Angesichts des gnadenlosen Vernichtungsfeldzuges, den die Gattung Mensch gegen Fauna
und Flora dieses blauen Planeten führt, überkommt mich doch die Angst vor dem drohenden
Untergang dieser edlen Geschöpfe.
Wie hat es Douglas Adams in seinem Buch “Die Letzten ihrer Art“ so treffend formuliert:
Die Welt würde ohne sie nicht untergehen,
aber sie wäre um vieles kälter, dunkler
und. ....einsamer !!! In diesem Sinne, sonnige Grüße aus dem Herzen Afrikas.
Johann
PS: Ich mache mich jetzt auf, zu einer echten afrikanischen Hochzeit.
Die älteste Tochter "meiner" rwandischen Familie heiratet.
Das wird mit Sicherheit ein aufregender Tag und eine noch viel längere Nacht.
— geändert am 29.11.2010, 21:45:22
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